Komi E. gewinnt Prozess gegen 10 € Gebühr

Im Berufungsverfahren vom 26. Oktober 2011 ist das Erheben von 10 € für eine Verlassenserlaubnis abermals als rechtswidrig erklärt worden. Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Magdeburg dürfte wenigstens eine der Willkür-Praxen der Ausländerbehörden enden.

Seit 2007 klagte Komi E., ehemaliger Asylbewerber, gegen die 10 € Gebühr. Diese wird von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Geduldeten immer dann verlangt, wenn sie den ihnen zugeteilten Landkreis oder das Bundesland verlassen wollen und sich dafür bei der Ausländerbehörde eine Verlassenserlaubnis einholen müssen. Da eine Verlassenserlaubnis in der Regel nur für wenige Tage erteilt wird, sind Geflüchtete dazu gezwungen, mehrmals pro Monat eine solche zu beantragen. Damit stellt die 10 € Gebühr eine immense, finanzielle Belastung für die Betroffenen dar.

Bereits im Februar 2011 entschied das Verwaltungsgericht Halle (Saale), dass es für die Praxis der 10 € Gebühr für eine Verlassenserlaubnis keine Rechtsgrundlage gibt. Doch auch nach dem Urteil in Halle blieb die Ausländerbehörde bei der Praxis und verlangte weiterhin 10 €, wie mehrere Geflüchtete berichten und die Ausländerbehörde nach telefonischer Auskunft selbst angab. Vor Gericht begründete die Ausländerbehörde die Gebühr damit, dass bei der Verlassenserlaubnis eine Bescheinigung auf Antrag vorliege. Rechtsanwalt Volker Gerloff aber erklärt, dass es sich hierbei nicht um eine sonstige Bescheinigung nach dem Aufenthaltsgesetz (§47 Absatz 1 Nr. 9) handele, sondern um eine Verlassenserlaubnis. Das sei ein ganz normaler Verwaltungsakt und nicht eine sonstige Bescheinigung. Letzteres ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Ausländerbehörde für das Jobcenter eine Bescheinigung über den Aufenthaltstitel ausstellt.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Magdeburgs hat bundesweit Geltung. Nun ist es an der Politik dafür zu sorgen, dass dieser Rechtsentscheid in die Praxis der Ausländerbehörden in ganz Deutschland eingeht. Komi E. fordert die Innenministerien dazu auf, entsprechende Weisungen zu erlassen, dass die Ausländerbehörden die entsprechenden Gebührenentscheide überprüfen, diese zurück nehmen und im Ergebnis die jeweils 10 € an die Betroffenen zurück zahlen.

Rückblick: Demonstration gegen Residenzpflicht in Merseburg

Etwa 65 Aktivist_innen und Geflüchtete sind am 29. Juli 2011 dem Aufruf der Initiative Togo Action Plus e.V.  gefolgt und haben gegen das rassistische Gesetz der Residenzpflicht und gegen die 10,00 Euro-Gebühr, die von Asylbewerber_innen und Geduldeten verlangt wird, wenn sie ihren Landkreis bzw. das Bundesland verlassen wollen, demonstriert. Die Route der Demonstrant_innen verlief vom Merseburger Hauptbahnhof, durch die Innenstadt bis zum Domplatz, auf dem sich die Ausländerbehörde befindet.

Von Beginn an jedoch störte eine Gruppe von Nazis die Demonstrationen. Bereits am Bahnhof positionierten sich circa 20 Personen und bedrohten die Aktivist_innen durch ihre Präsenz. Während der Redebeiträge auf dem Domplatz am Ende der Strecke gab es noch einen direkten Angriff auf die Aktivist_innen. Nazis, die von der Flußseite an den Domplatz gekommen waren, haben Böller geworfen, durch die eine Aktivistin verletzt wurde. Die Frau aus Burkina – Faso, die aus dem Heim Krumpa (Merseburg) zur Demo gekommen war, fiel in Folge des Angriffs zu Boden und musste unter Schock ins Krankenhaus gebracht werden.

Die Merseburger Polizei war nicht im Stande die Demonstrant_innen angemessen zu schützen. Während des Angriffs auf dem Domplatz waren Aktivist_innen zuerst vor Ort, um weitere Angriffe abwehren zu können. Die Polizei hingegen war an den einzelnen Ausgängen des Domplatzes so schwach aufgestellt, dass eine sofortige Präsenz nicht gewährleistet wurde.

Wir möchten uns noch einmal bei allen Aktivist_innen bedanken, die uns im Vorfeld, während der Demo als auch danach unterstützt haben. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass wir uns nur auf uns selbst verlassen können. Ensemble en Action! Gemeinsam sind wir stark.

ITAP e.V. verurteilt den rassistisch motivierten Angriff auf die Aktivist_innen und fordert:

Die Bestrafung der Täter_innen!

Die Abschaffung der Residenzpflicht!

Die Umsetzung des Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit!

Ein Ende der kapitalistischen Ausbeutung von Menschen auf der Flucht – sowohl in ihren Herkunftsländern als auch in Deutschland

Die Abschaffung der 10 € Gebühr!

Ein Ende den gezielten Polizeikontrollen im Sinne des racial profiling!

Demonstration gegen Residenzpflicht Merseburg | Freitag, 29. Juli 2011 | 12 Uhr

Ensemble en Action

Bewegungsfreiheit für alle Geflüchtete in der BRD! – Residenzpflicht abschaffen! | Freedom of movement for refugees! – Abolish the Residenzpflicht! | Liberté de circulation pour les réfugiés! – Abolir la Residenzpflicht!
Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP e.V.)

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Seit März 2011 wurde die Residenzpflicht nun auch in Sachsen-Anhalt auch für Asylbewerber_innen “aufgehoben”. Praktisch ist dies jedoch – wie auch in Berlin/Brandenburg – hier nicht der Fall. Nach Aussagen von Geflüchteten kommt es noch immer vor, dass von der Polizei explizit nach einer Verlassenserlaubnis gefragt wird, auch wenn sich Geflüchtete innerhalb der Landesgrenzen bewegen. Von Fahrten in andere Bundesländer ganz zu schweigen. Hier greift das rassistische Gesetz der Residenzpflicht in vollem Umfang.

Daraufhin startete die Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP e.V.) im Juni 2011 eine Faxkampagne an den neuen Innenminister Sachsen Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU). Die Mitglieder von ITAP e.V. forderten darin die konsequente Abschaffung der Residenzpflicht, eine Abschaffung der 10€ Gebühr, die von Geflüchteten für das Ausstellen einer Verlassenserlaubnis verlangt wird, sowie einen Stopp der gezielten Polizeikontrollen in Sachsen-Anhalt im Sinne des racial profiling.

Die Antwort Stahlknechts auf die Faxkampagne macht seinem Namen und seiner Partei alle Ehre und zeigt offen, das die vom ehemaligen Innenminister Holger Hövelmann eingeführte Lockerung der Residenzpflicht ganz und gar nicht der Meinung Stahlknechts entspricht. So verteidigt er die Residenzpflicht und schreibt, dass die den räumlichen Beschränkungen zugrunde liegenden Überlegungen von hoher Relevanz seien. Er argumentiert deutlich für eine durch die Residenzpflicht erwirkte kurzfristige Erreichbarkeit der Asylbewerber, um das Asylverfahren zu beschleunigen sowie um eine mögliche Ausreisepflicht von Geduldeten zeitnah durchzusetzen. In anderen Worten: Die Residenzpflicht ist von hoher Relevanz, um Menschen zu kontrollieren und schneller abzuschieben.

Darüber hinaus – und so weit scheint Stahlknecht gar nicht erst denken zu wollen – besteht noch immer kein Recht auf Bewegungsfreiheit für das gesamte Bundesgebiet. Für Fahrten in andere Bundesländer müssen noch immer Verlassenserlaubnisse beantragt werden, die in der Praxis – gerade von der Ausländerbehörde Merseburg – oftmals unbegründet abgelehnt werden.

In neokolonialer Manier beutet Sachsen-Anhalt – und andere Bundesländer – Geflüchtete auch noch finanziell aus. Seit 2007 klagte Komi E. gegen die 10€ Gebühr und bekam vom Verwaltungsgericht Halle (Saale) Recht. Das Urteil vom 26. Februar 2010 entschied, dass das Erheben von Gebühren für die Erteilung einer Verlassenserlaubnis rechtswidrig ist. Nicht nur, dass trotz des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle (Saale) in der Praxis der Ausländerbehörden teilweise noch immer 10€ von dem wenigen Bargeld Geflüchteter einkassiert werden, möchte der Landkreis Saalekreis nun im Rahmen des stattgegebenen Berufungsverfahrens die Gebühr scheinbar rechtskräftig machen. Noch in diesem Sommer startet das Berufungsverfahren der Ausländerbehörde gegen Komi E. vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Magdeburg).

Im Zuge des anstehenden Prozesses sowie der eindeutig rassistisch motivierten Gutheißung der Residenzpflicht von Seiten der Politik wollen wir den öffentlichen Druck erhöhen und lauthals unsere Forderungen auf den Straßen Merseburgs kundtun:

  • Residenzpflicht in der BRD abschaffen! Das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit muss Praxis werden!
  • Die Praxis der kapitalistischen Ausbeutung von Geflüchteten in deren Herkunftsländern und in Deutschland muss ein Ende haben: Ein Ende der 10 € Gebühr!
  • Ein Ende den gezielten Polizeikontrollen im Sinne des racial profiling!

Demonstration | Freitag, 29. Juli 2011 | 12 Uhr | Start am Merseburger Hauptbahnhof (Sachsen-Anhalt)
Abfahrt aus Berlin mit Bus und Bahn | Treffpunkt 9 Uhr (pünktlich) vor dem Reisezentrum im S-Bahnhof Alexanderplatz
Anmeldung via E-Mail unter togoactionplus@googlemail.com oder Handy unter 0176-73902314

Demonstration | Friday, 29. Juli 2011 | Beginning 12 o’clock at central station Merseburg (Sachsen-Anhalt)
Departure from Berlin by bus and train | Meetingpoint: 9 o’clock (on time) in front of the “Reisezentrum” inside the train station Alexanderplatz
Notification via email togoactionplus@googlemail.com or mobile 0176-73902314

Démonstration | Vendredi le 29 juillet 2011 | Départ à 12 h à la gare de Merseburg (Saxe-Anhalt) 
Départ à 9 heures (à l’heure) avant le „Reisezentrum“ dans la gare Berlin Alexanderplatz
L’inscription via e-mail togoactionplus@googlemail.com où le portable 0176-73902314

Ensemble en Action – solidarity is our weapon! ITAP e.V.
http://togoactionplus.wordpress.com/
E-Mail: togoactionplus@googlemail.com
mobil: 0176-73902314