Lager Möhlau. Dieser Alltag ist struktureller Rassismus, und die Heimleitung scheut das Licht der Öffentlichkeit

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Wie wir vor wenigen Tagen berichteten, kam der irakische Flüchtling Azad Murad H., der in dem Flüchtlingslager Möhlau in Sachsen-Anhalt lebt, in der Nacht zum Dienstag von einem  Spaziergang schwerstverletzt zurück. Mit schweren Brandverletzungen wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er seitdem im künstlichen Koma liegt.

Als Azad Murad nach hause zu seiner Frau kam, sagte er ihr, dass ihn “Nazis fertiggemacht” hätten, danach verlor er das Bewußtsein. Es ist also von einem rassistischen Angriff auf ihn auszugehen. Für die Bewohner/innen des Heims ist das nahe liegend. Immer wieder haben sie Diskriminierungen und Bedrohungen erlebt. Die völlig marode NVA-Kaserne von Möhlau liegt in einem Waldstück drei Kilometer von dem kleinen Ort Raguhn entfernt – in einer gesellschaftlichen Wildnis, exponiert. Anfang Mai haben sich Unbekannte vor dem Heim herumgetrieben, die einen Benzinkanister bei sich hatten.

Die Polizei ermittelt nun, und nun wird ein neuer Umstand in die Nachforschungen mit einbezogen: In derselben Nacht hat sich um 1 Uhr 25 in Dessau-Roßlau in einem Dönerladen eine Explosion ereignet.

Es wird auch in der Richtung weitergeforscht und davon ausgegangen, dass der Verletzte davon betroffen war.  Die Mitteldeutsche Zeitung  formuliert zusätzlich die tendenziöse Frage, ob Azad Murad H. die Explosion selbst herbeigeführt hätte – das ist eine infame Wendung in der Berichterstattung, wobei Azad Murads eigene, gegenteilige Äußerung in den Wind geschlagen wird! Hier zeigt sich wieder, dass für den deutschen öffentlichen Konsens die Worte der Flüchtlinge abgewertet werden. Was ist denn mit dieser  Möglichkeit: Dass ein rassistischer Brandanschlag auf den Dönerladen stattgefunden hatte – denn dessen Besitzer war syrischer Herkunft – wobei auch Azad Murad verletzt wurde? Über diese Möglichkeit schweigt die Mitteldeutsche Zeitung. In einem früheren, ausführlicheren Bericht kam die Journalistin Katrin Löwe hier noch auf die Situation der Bewohner/innen zu sprechen – das erscheint viel mehr angebracht.Denn es ist höchste Zeit, dass sich ihre Lebensverhältnisse ändern.

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Während die genauen Umstände noch im Dunkeln verbleiben, wollen wir von Möhlau sprechen, von der Situation der Flüchtlinge, und von der Tatsache der rassistischen Gefahren in Sachsen-Anhalt. Diese lassen sich nicht wegleugnen. Im vergangenen Jahr forderte der rechte Mob in diesem Bundesland drei Todesopfer. Wie viele sollen noch folgen, bevor die deutsche Bevölkerung aufwacht? Unter diesen Umständen wird es Mitverantwortung von Administration und Regierung bedeuten, sowie die in der verlassenen Waldkaserne untergebrachten Flüchtlinge erstmals zum Opfer von Angriffen werden.

Möhlau ist ein Beispiel von strukturellem Rassismus in Deutschland – die ausgegrenzte Lage im Wald, die menschenunwürdigen Lebensverhältnisse, die Restriktion mit der Residenzpflicht. Es ist eines von vielen Beispielen – wie Katzhütte, Bramsche-Hesepe, Bahnsdorf, Trier- der administrativen und politischen Gewaltausübung gegen Flüchtlinge durch Lagerpolitik. Ungefähr 200 Menschen müssen hier leben- zwischen löcherigen Wänden, verrotteten alten Möbeln aus der DDR-Zeit. Es sind viele Familien mit Kindern unter ihnen. Ein Schulbus wird zur Verfügung gestellt, davon abgesehen gibt es keine finanzielle Unterstützung für Bus- oder Bahnfahrten für die Bewohner/innen. Die “Verlassensgestattung” der Ausländerbehörde, um den Landkreis zu verlassen, wird so gut wie nie erteilt. Die Bewohner/innen erzählten uns, dass sie die Behörde in diesem Punkt als “absolut strikt” erleben. Im Vergleich dazu seien die benachbarten Behörden, wie  z. B. in Halle, weniger streng. Es ist ganz deutlich das Zusammenwirken von Unterkunfts- und Residenzpflichtauflage zu beobachten, wodurch die Betroffenen ausgegrenzt werden sollen. Ihre Abhängigkeit wird ihnen jeden Tag bewusst gemacht. Kinder und Jugendliche müssen hier aufwachsen mit dem gesellschaftlichen Stigma und mit dem Gefühl der Ohnmacht.

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Im April dieses Jahres hatten die Bewohner/innen von Möhlau einen Offenen Brief an den Landrat in Wittenberg geschickt, in dem sie die schlimmen Lebensverhältnisse zur Sprache brachten, soziale Sicherheit und Wohnungen für sich forderten. “Wir werden zur Zielscheibe rechtsextremer Übergriffe”, schrieben sie. Der Landrat sah keine Notwendigkeit, sich mit den Flüchtlingen an einen Tisch zu setzen und über Änderungen nachzudenken. In einem junge-Welt-Bericht vom Mai 2009 äußerte der Landratssprecher Ronald Gauert, die geschilderten Missstände seien “übertrieben”, teilweise “falsch”. >  Offener_Brief_der_Flüchtlinge_in_Moehlau

Wenn, wie der Landrat behauptet, alles zum besten steht, warum scheuen dann die Heimleiter/innen das Licht der Presse? Dies berichtete die Karawane nach dem schlimmen Vorfall des Azad Murad H.: “Am Mittwoch kam Razak Minhel vom Dessauer Multikulturellen Zentrum mit Presse zum Lager Möhlau. Die Heimleiterin Frau Salzmann ließ das Tor verschließen und verweigerte den Zutritt. Es sei Privatbesitz. (Besitzer des ehemaligen Kasernengeländes ist Marcel Wiesemann.) Hiergegen protestierten die Flüchtlinge heftig. So musste die Heimleitung die Presse auf das Lagergelände lassen. Sie verweigerte es aber der Presse, in die Wohnungen der Flüchtlinge zu gehen, obwohl dies der private Wohnbereich der Flüchtlinge ist. Über die Wohnsituation der Flüchtlinge konnte so nichts an die Öffentlichkeit gelangen.” Ganzen Bericht lesen

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Wir müssen damit einmal mehr feststellen, dass Flüchtlingen selbst das Recht zur Verfügung über privaten Wohnraum versagt wird – also den Journalist/innen ihre eigenen Behausungen betretbar zu machen, wenn sie es wünschen. Ebenso hatte ja auch seinerzeit die Verwaltung im Lager Katzhütte (Thüringen) anlässlich der Flüchtlingsproteste das Betreten der Räume für Journalist/innen unterbinden wollen. Die Administration im vermeintlich freiheitlich-demokratischen Deutschland fürchtet das Tageslicht, das auf Pressspan-Möbel, offenliegende Stromleitungen, verrostete Wasserhähne fällt. Hier zeigt sich die Schwachstelle der Grundordnung: wenn die vorgeschobenen Behauptungen der Behörden und der Politiker/innen einmal mit der Realität abgeglichen werden, wenn Journalist/innen oder Bürger/innen einmal selbst den Augenschein prüfen wollen.

“Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.” (Art. 22, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

Das Lager Möhlau, wie auch die vielen anderen Lager in Deutschland, sind das tägliche Beispiel für die Ausgrenzung und Unterdrückung der Flüchtlinge mitten in der Gesellschaft. Und auch noch die Ignoranz der Behörden, die jetzt der leidenden Familie des Azad Murad H. keine eigene Wohnung in einer Stadt zur Verfügung stellen, sondern sich nur hinter Rechthaberei verschanzen will, führt diese Unterdrückung fort. Möhlau muss geschlossen werden – dafür werden wir weiter aktiv bleiben.

4.7.09 – T.A.P.

Nico P. bei der Härtefallkommission

Bericht der Antirassistischen Initiative Berlin: Im Verwaltungsverfahren auf Erteilung eines Aufenthalts für Nico P. lehnt OVG Magdeburg vorläufigen Rechtsschutz ab.
Nico P. am 30.6.2009 in Härtefallkommission Sachsen-Anhalt aufgenommen – dennoch schikaniert Ausländerbehörde Burg Nico P. weiter.
Dem Flüchtling Nico P. aus Benin droht Abschiebung trotz eingetragener Partnerschaft seit Februar 2007.

Im Verwaltungsverfahren auf Erteilung eines Aufenthalts für Nico P. lehnt OVG Magdeburg vorläufigen Rechtsschutz ab.
Nico P. am 30.6.2009 in Härtefallkommission Sachsen-Anhalt aufgenommen – dennoch schikaniert Ausländerbehörde Burg Nico P. weiter.
Dem Flüchtling Nico P. aus Benin droht Abschiebung trotz eingetragener Partnerschaft seit Februar 2007.

Im Rechtsverfahren um einen Aufenthalt für Nico P. ist es nach der Zuspitzung Ende Juni jetzt zu einer einstweiligen Entspannung gekommen. Am 22.6.2007 hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit juristischen Kapriolen in letzter Instanz abgelehnt. Die Ausländerbehörde Burg nahm an jetzt endlich die Möglichkeit zu haben Nico P. abzuschieben. Dies versuchte sie auch sofort umzusetzen. Noch am selben Tag zog sie die Duldung zurück und händigte Nico eine “Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB)” von einer Woche bis zum 30.6.2009 aus. Bis zu diesem Zeitpunkt soll Herr P. nach Willen der Ausländerbehörde nach Benin ausgereist sein.
Seit dem 30.6. ist er nun in die Härtefallkommission aufgenommen. Sie entscheidet Ende Juli darüber ob „dringende humanitäre oder persönliche Gründe“ vorliegen, die dazu führen dass ihm Bleiberecht zugestanden werden muss. Solange die Härtefallkommission arbeitet, ist die Ausreiseaufforderung ausgesetzt. Dennoch hat die Ausländerbehörde Burg seine „GÜB“ vorgestern lediglich um 2 Wochen verlängert, wohl um ihn zu schikanieren., da sie ansonsten momentan nicht handeln können.

Nico P. lebt seit 2003 in Deutschland als Flüchtling aus Benin. Seit Februar 2007 ist er mit einer transsexuellen Partnerin in Berlin verheiratet. Die Ausländerbehörde Burg möchte ihn nur in eine Richtung gehen lassen: nach Afrika. Nico ist in Burg (Sachsen-Anhalt) im Asylbewerberheim untergebracht, er darf Burg nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen (“Residenzpflicht”) und bis zuletzt wird ihm trotz verschiedener Arbeitsplatzangebote eine Arbeitserlaubnis verweigert.

Als Antirassistische Initiative stehen wir schon mehrere Jahre in Kontakt zu Herrn P. und haben in dieser Zeit mehrfach rassistische und homophobe Schikanen der bislang zuständigen Ausländerbehörde in Burg,
Sachsen-Anhalt öffentlich gemacht. Zuletzt haben wir anlässlich des zweiten Hochzeitstages des Paars in Burg einen “transgenialen Polterabend” veranstaltet, um die Ausländerbehörde auf die Nicos Recht auf Leben bei der Partnerin (Unverletzbarkeit der Ehe und Familie), Aufenthalt und Arbeit hinzuweisen. Nicos Antrag auf Aufenthalt nach seiner Eheschließung wurde über mehr als zwei Jahre verschleppt. In dieser Zeit argumentierte die Ausländerbehörde zunächst mit einem laufenden Residenzpflichtverfahren, dann verwies sie darauf, dass eine eingetragene Partnerschaft nicht unter den Schutz der Familie nach Grundgesetz falle, inzwischen
behauptet sie, der Abschluss eines Ehevertrags verweise auf eine Scheinehe. Wir halten dieses Vorgehen für rechtswidrig und schikanös.

Die geforderte Ausreise nach Benin würde das Paar auf unabsehbare Zeit trennen, ist teuer und unnötig. Sie befriedigt lediglich die rassistischen und transphoben Bedürfnisse der Ausländerbehörde Burg.

Mehr auf der Webseite der ARI unter:
http://www.ari-berlin.org/themen/homo/homo.htm

Erhebung zum Anstieg rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt

Die rechtsextreme Gewalt in Sachsen-Anhalt ist stark angestiegen.

In 2008 wurde ein Zuwachs von rechten Straftaten um rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Innenminister Hövelmann gab die kriminalistische Erhebung im März bekannt.

Rund 80 Prozent der gezählten Delikte gingen auf rechtsextreme Straftäter zurück. Doch soll auch die sogenannte “linke Gewalt” in 2008 angestiegen sein, worunter allerdings hauptsächlich Sachbeschädigung begriffen ist.

Uns entging auch nicht die Wortwahl von Hövelmann bei der Bekanntgabe. “Rechte und linke Gewalt” hätten sich gegenseitig “hochgeschaukelt  “. Das impliziert, diese Formen von Straftaten seien irgendwie vergleichbar, und bedeutet letztlich eine Verharmlosung der rassistischen Überfälle, Beleidigungen und Mordanschläge von den Neonazis. Wir protestieren gegen diese Formulierung und weisen daraufhin, dass Sachsen-Anhalt  aufgrund des rechten Alltagsrassismus zur No-Go-Area für Flüchtlinge  geworden ist!

Anstieg_rechter_Gewalt_in_Sachsen-Anhalt

Felix Otto- im Gefängnis wegen Residenzpflichtverstößen

Felix Otto, Flüchtling aus Kamerun, zu acht Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Vergehen: Residenzpflichtverstöße.

Seit dem April sitzt Felix Otto, Flüchtling aus Kamerun, in der JVA Suhl in Thüringen, da er mehrmals gegen die Residenzpflicht verstoßen hatte. Das FLüchtlingsheim im Kreis Schleiz in Thüringen, in dem er seit Jahren wohnen mußte, befand sich abseits von Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten, die Grenze zum nur  nur wenige Kilometer entfernten BUndesland Bayern durfte nur mit “Urlaubsschein”, in seltenen Fällen genehmigt, übertreten werden.

Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit für FLüchtlinge bedeutet eine behördliche und politische Schikane gegen sie, und einen Angriff auf das Menschenrecht!!

Am 25.06.09 demonstrierten Flüchtlinge und AntirassistInnen in Erfurt, der Hauptstadt des Bundeslandes Thüringen, , für die Freiheit von Felix Otto, und für die Abschaffung der Residenzpflicht.

Organisiert wurde die Demo von The Voice Refugeee Forum, und auch Leute von der Togo Action Plus waren dort, und forderten :

“Weg mit der Residenzpflicht!”

Felix Otto schrieb einen Brief aus der Haftanstalt,

wie Karawane Netzwerk für die Flüchtlinge mitteilte.,

Lest den Brief unter:

Brief_von_Otto

T.A.P. 30.06.09

Apartheid in Deutschland

Protest gegen rassistisches Gesetz

“Apartheid in deutschland – Residenzpflicht abschaffen!” hieß es, als in Sachsen-anhalt Flüchtlinge und AntirassistInnen am 26. Mai 2009  gegen die Residenzpflicht demonstrierten und gegen die landkreisbestimmung im Saalekreis, die zehn Euro Gebührenzahlung von flüchtlingen für einen “urlaubsschein”, nur um landkreis oder bundesland zu verlassen, verlangt.  Es wurde zunächst in Halle/ Saale vor dem Verwaltungsgericht demonstriert. Von hier ging es dann mit dem Bus weiter nach Merseburg zur Ausländerbehörde. In Merseburg gab es von Beginn an Schikanen durch Polizei und Ordnungsamt. Das machte deutlich, dass sich die behörde von diesem friedlichen flüchtlingsprotest empfindlich getroffen fühlte. Die teilnehmenden der veranstaltung waren solidarisch, friedlich, selbstbewusst und voller Respekt für die erschütternden Berichte aus dem Leben eines der Flüchtlinge, der während der veranstaltungen seine stimme gegen rassismus erhob und auch von dem eigenen erlebten erzählte. Es war trotz der Momente der repression ein sehr guter gemeinsamer tag, danke an alle unterstützerInnen!

Demo in HalleAufgerufen hatte zu der Demonstration die Initiative Togo Action Plus. Ein Aktivist aus dieser initiative hatte in 2007 in Halle gegen die gebührenauflage von 10 Euro geklagt, doch bis jetzt wurde die Klage nicht bearbeitet. Mit der demo protestierten wir deshalb gegen die Gebühr und gegen die verschleppung der klage beim verwaltungsgericht. Zugleich wendeten sich die demonstrantInnen auch grundsätzlich gegen das rassistische gesetz der Residenzpflicht in deutschland (§ 56 im Asylverfahrensgesetz), das Flüchtlinge zwingt, jedes Mal, wenn sie den Landkreis oder das Bundesland verlassen wollen, einen antrag dafür bei der ausländerbehörde zu stellen. Eine Auflage, die es in ganz Vor dem Verwaltungsgericht in HalleEuropa nur in deutschland gibt, und die die Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge massiv einschränkt. Sie bekommen oftmals keinen “urlaubsschein”, wenn sie Freunde oder Familie in einem anderen Landkreis besuchen wollen und werden gezwungen, in den Regionen der flüchtlingslager zu bleiben, in den bewaldeten Gegenden oder in den Industriegebieten und Peripherien der Städte. Rassistische polizeikontrollen auf der straße sind zudem mit der Residenzpflicht eine alltägliche Praxis – apartheid in deutschland, während politikerInnen und promis das deutsche grundgesetz feiern und uns die ohren vollsülzen von der vermeintlichen demokratie, in der wir leben.

70 TeilnehmerInnen gingen am Dienstag in Halle/Saale auf die Straße, später in Merseburg etwa 50, dabei UnterstützerInnen von der Flüchtlingsorganisation The Voice, von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und der Flüchtlingsinitiative Brandenburg und solidarische einzelpersonen. Mit Sprechchören: “Residenzpflicht – abschaffen! Lager- abschaffen!” und Redebeiträgen ging es in Halle vom Bahnhof die Merseburger Straße entlang – nur die halbe Fahrbahn wurde uns von den grünen zugebilligt! – bis zum Verwaltungsgericht. Nebenbei wurde das eine und andere Npd-Plakat entsorgt. Vor dem Verwaltungsgericht hielten wir eine Kundgebung ab.

Komi E., Vizepräsident der Initiative Togo Action Plus, Flüchtling in Deutschland, konfrontierte die Öffentlichkeit mit seinem Bericht vom erlebten Unrecht – rassistischem alltag mit beschimpfungen, gewalterfahrung, nazi-angriffen, ständigen polizeikontrollen, dem jahrelangen Verbannt-sein in eine menschenunwürdige Behausung. “Das ist unerträglich! – es gibt kein Menschenrecht in Deutschland!” “Ich mußte im Wohnheim mit Kakerlaken wohnen, schlafen!”, “Sie wollen uns nur kontrollieren, wir sind immer das Objekt für Polizeikontrollen!” “Wenn wir uns im Land bewegen wollen, verlangen sie noch zehn Euro Gebühr!” Immer wieder die Frage: “Warum?” und: “Ist das Menschenrecht?”

So mussten sich einmal die PassantInnen und die BeamtInnen, die im Justizzentrum Halle ein und aus gingen oder aus dem Fenster sahen, eine echte Stimme anhören, die anklagte, überströmte von Erfahrungen, die hastete und fragte – eine Kehrseite zu ihren Paragraphen und zu den monotonen lebensfernen reden aus den medien. Ein Mensch muss schreien, wenn die, die antwort geben sollen, so weit weg sind. Ich werde diese veranstaltung nie vergessen.

Komi E. erinnerte auch an die kolonialistische Entsprechung zur heutigen Residenzpflicht- schon in den deutschen Kolonien verboten die Besatzer die freie bewegung der bevölkerung. Auch verstoße die heutige residenzpflicht gegen die Konvention der Menschenrechte und gegen Art. 3.3 des Grundgesetzes, das die Diskriminierung aufgrund Rasse, Herkunft…untersagt. Komi E. hatte die Klage gegen die Gebührenzahlung beim Gericht erhoben. Er forderte im Namen der Togo Action Plus die Abschaffung der Gebühr für den “Urlaubsschein” und die Abschaffung der Residenzpflicht.

Es wurde außerdem in weiteren Redebeiträgen an den Flüchtling Felix Otto in thüringen erinnert, der nun in im gefängnis sitzt, und zu acht monaten haft verurteilt worden war – wegen residenzpflichtverstößen. Die TeilnehmerInnen der kundgebung forderten seine sofortige freilassung.

Ein weiterer Aktivist berichtete von der Situation der flüchtlinge im lager Möhlau, Saalekreis, einem lager im wald, in dem sie abgeschottet von der gesellschaft leben müssen. Die flüchtlinge erhalten hier so gut wie nie “urlaubsscheine” von der behörde. Auch die wohnsituation (ehemaliges nva-gebäude, völlig marode) und die medizinische Versorgung sind äußerst desolat. Die bewohnerInnen beschreiben ihre situation in dem heim auch als “kasernierung”. Bei krankheit dauert es drei tage, bis die bewohnerInnen einen krankenschein erhalten. Ein anderer redebeitrag der kundgebung wendete sich gegen die feierlaune in diesen Tagen, da das 60-jährige Bestehen des Grundgesetzes zum anlass für parties und nationalistische töne genommen wird.

GetAttachment.aspxSprecher der initiative in Gedenken an Oury Jalloh prangerten die rassistische polizeigewalt in deutschland an, die eine tägliche bedrohung für flüchtlinge darstellt. Sie erinnerten daran, dass auch oury jalloh aufgrund der residenzpflicht kontrolliert und zum opfer rassistischer polizeigewalt wurde. OURY JALLOH- DAS WAR MORD!

In Merseburg wollten die demonstrantInnen vom bahnhof aus vor die Landkreis-Ausländerbehörde ziehen – eine angemeldete demonstration. Doch am bahnhof angekommen, ging es los mit Einschüchterungsversuchen der Behörden. Bemerkenswert ist z. B. das gemeinsame Auftreten von vertreterinnen des ordnungsamtes mit der polizei. Zwei oder drei ordnungsamt-sprecherInnen traten zusammen mit mehreren polizistInnen an die veranstalterInnen heran. Zunächst wurde die Position des lauti-wagens (der zur abfahrt für die demo bereitstand) zu einem problem erklärt, dann forderten ordnungsamtssprecherinnen, dass eine mehrseitige “verwaltungsordnung” gelesen und der erhalt durch den flüchtling Komi E., der nicht anmelder der demo gewesen war, schriftlich unterzeichnet wurde.

Kurios war u. a. eine klausel in dem betreffenden papier, bei der sich das ordnungsamt im verlauf der demo “weitere auflagen” “aufgrund von gefahr für leben oder gesundheit(…) vorbehält”. Das betreffende, für Ordnung und neuerdings auch für Lebensgefahr zuständige, Amt verlangte außerdem: dass die DemonstrantInnen auf dem Fußweg gehen, dass die Demo-ordner ihre personalien hergeben, und etliche absurditäten mehr. Das lehnten wir ab, und wir verfassten vor Ort einen schriftlichen Widerspruch. Es wurde von Komi E. nur der erhalt des Schriftstücks schriftlich bestätigt. Danach gingen wir los. Team Green filmte eifrig, so wurde aus einem Kameraauto heraus gefilmt. Auch ein mysteriöser Kameramann, der sich für einen mdr-menschen ausgab, aber ganz offensichtlich keiner war, filmte die ganze Zeit über und hielt immer wieder vertrauliche gespräche mit den polizisten. Auch eine Ordnungsamtsdame richtete einen foto-oder filmapparat dreist aus nächster Nähe auf die demonstrantInnen.

Auf dem Domplatz vor der ausländerbehörde hielten wir eine weitere kundgebung ab, forderten die abschaffung der residenzpflicht und wandten uns gegen den behördenrassismus in deutschland. Komi E. berichtete außerdem, dass diese Ausländerbehörde ihn seit dem Beginn seiner Faxkampagne gegen die Residenzpflicht (Faxschreiben an diese betreffende Ausländerbehörde, die die abschaffung der gebühr von 10 Euro fordern) im Mai dieses Jahres einzuschüchtern versuchte: So hatte er wenige Tage nach Beginn der Kampagne ein Schreiben der ausländerbehörde erhalten, in dem sie eine hohe zahlung “wegen paßbeschaffungsgebühren” verlangte also die kosten für eine frühere botschaftsanhörung, die jetzt urplötzlich berechnet werden. Komi E. wurde vor Jahren zu dieser zwielichten anhörung vorgeladen. Solche Kosten dürfen aber von der Behörde nicht erhoben werden, wie der Anwalt uns mitteilte. Ein deutlicher Fall von Einschüchterung.

Die Veranstaltung verlief in friedlich angeregter Stimmung, mensch ruhte sich auf dem Boden sitzend in der zaghaften Sonne aus, es wurde getanzt und es war schön, an diesem Ort die Reggae-Klänge von der Musik von “The Most Wanted” anzuhören: “Wie lange noch muss ich leiden – wie lange noch willst du schweigen?”

Stressig war nur das repressive Klima während der Veranstaltung, denn Polizei und Ordnungsamtswachteln fixierten uns die ganze Zeit über, und anstatt unsere angemeldete Veranstaltung zu schützen, stützten die BeamtInnen unmutige bis feindselige Bemerkungen mancher vorübergehender PassantInnen. Auch kam es später, als die Mehrzahl der DemonstrantInnen im Bus abgefahren war, zur Verhängung eines “Ordnungsgeldes”, weil ein Aktivist der Oury-Jalloh-Gedenkinitiative über Bahngleise gelaufen wäre.

Hingegen war die Stimmung bei den Teilnehmenden der Kundgebung friedlich, freundschaftlich und solidarisch, so dass von dieser Veranstaltung eine mutmachende Erinnerung verbleibt! Das ungute Klima in Merseburg zeigte uns jedoch, dass diese Stadt noch nicht optimal auf das Phänomen: “Flüchtlingsdemo in Sachsen-Anhalt”, und: “Demokratie verteidigen in Merseburg” vorbereitet ist. Aller Anfang ist schwer. Es ist immerhin im tiefsten Sachsen-Anhalt, vergessen wir das nicht. Aber da können wir sicher weiterhelfen. Und damit sich die BeamtInnen besser an den Anblick demonstrierender Flüchtlinge gewöhnen, werden wir auch ganz bestimmt wiederkommen, versprochen! Abschaffung der Residenzpflicht jetzt! Gegen Behördenrassismus und Polizeigewalt!

Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht!