Demonstration gegen Residenzpflicht Merseburg | Freitag, 29. Juli 2011 | 12 Uhr

Ensemble en Action

Bewegungsfreiheit für alle Geflüchtete in der BRD! – Residenzpflicht abschaffen! | Freedom of movement for refugees! – Abolish the Residenzpflicht! | Liberté de circulation pour les réfugiés! – Abolir la Residenzpflicht!
Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP e.V.)

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Seit März 2011 wurde die Residenzpflicht nun auch in Sachsen-Anhalt auch für Asylbewerber_innen “aufgehoben”. Praktisch ist dies jedoch – wie auch in Berlin/Brandenburg – hier nicht der Fall. Nach Aussagen von Geflüchteten kommt es noch immer vor, dass von der Polizei explizit nach einer Verlassenserlaubnis gefragt wird, auch wenn sich Geflüchtete innerhalb der Landesgrenzen bewegen. Von Fahrten in andere Bundesländer ganz zu schweigen. Hier greift das rassistische Gesetz der Residenzpflicht in vollem Umfang.

Daraufhin startete die Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP e.V.) im Juni 2011 eine Faxkampagne an den neuen Innenminister Sachsen Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU). Die Mitglieder von ITAP e.V. forderten darin die konsequente Abschaffung der Residenzpflicht, eine Abschaffung der 10€ Gebühr, die von Geflüchteten für das Ausstellen einer Verlassenserlaubnis verlangt wird, sowie einen Stopp der gezielten Polizeikontrollen in Sachsen-Anhalt im Sinne des racial profiling.

Die Antwort Stahlknechts auf die Faxkampagne macht seinem Namen und seiner Partei alle Ehre und zeigt offen, das die vom ehemaligen Innenminister Holger Hövelmann eingeführte Lockerung der Residenzpflicht ganz und gar nicht der Meinung Stahlknechts entspricht. So verteidigt er die Residenzpflicht und schreibt, dass die den räumlichen Beschränkungen zugrunde liegenden Überlegungen von hoher Relevanz seien. Er argumentiert deutlich für eine durch die Residenzpflicht erwirkte kurzfristige Erreichbarkeit der Asylbewerber, um das Asylverfahren zu beschleunigen sowie um eine mögliche Ausreisepflicht von Geduldeten zeitnah durchzusetzen. In anderen Worten: Die Residenzpflicht ist von hoher Relevanz, um Menschen zu kontrollieren und schneller abzuschieben.

Darüber hinaus – und so weit scheint Stahlknecht gar nicht erst denken zu wollen – besteht noch immer kein Recht auf Bewegungsfreiheit für das gesamte Bundesgebiet. Für Fahrten in andere Bundesländer müssen noch immer Verlassenserlaubnisse beantragt werden, die in der Praxis – gerade von der Ausländerbehörde Merseburg – oftmals unbegründet abgelehnt werden.

In neokolonialer Manier beutet Sachsen-Anhalt – und andere Bundesländer – Geflüchtete auch noch finanziell aus. Seit 2007 klagte Komi E. gegen die 10€ Gebühr und bekam vom Verwaltungsgericht Halle (Saale) Recht. Das Urteil vom 26. Februar 2010 entschied, dass das Erheben von Gebühren für die Erteilung einer Verlassenserlaubnis rechtswidrig ist. Nicht nur, dass trotz des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle (Saale) in der Praxis der Ausländerbehörden teilweise noch immer 10€ von dem wenigen Bargeld Geflüchteter einkassiert werden, möchte der Landkreis Saalekreis nun im Rahmen des stattgegebenen Berufungsverfahrens die Gebühr scheinbar rechtskräftig machen. Noch in diesem Sommer startet das Berufungsverfahren der Ausländerbehörde gegen Komi E. vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Magdeburg).

Im Zuge des anstehenden Prozesses sowie der eindeutig rassistisch motivierten Gutheißung der Residenzpflicht von Seiten der Politik wollen wir den öffentlichen Druck erhöhen und lauthals unsere Forderungen auf den Straßen Merseburgs kundtun:

  • Residenzpflicht in der BRD abschaffen! Das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit muss Praxis werden!
  • Die Praxis der kapitalistischen Ausbeutung von Geflüchteten in deren Herkunftsländern und in Deutschland muss ein Ende haben: Ein Ende der 10 € Gebühr!
  • Ein Ende den gezielten Polizeikontrollen im Sinne des racial profiling!

Demonstration | Freitag, 29. Juli 2011 | 12 Uhr | Start am Merseburger Hauptbahnhof (Sachsen-Anhalt)
Abfahrt aus Berlin mit Bus und Bahn | Treffpunkt 9 Uhr (pünktlich) vor dem Reisezentrum im S-Bahnhof Alexanderplatz
Anmeldung via E-Mail unter togoactionplus@googlemail.com oder Handy unter 0176-73902314

Demonstration | Friday, 29. Juli 2011 | Beginning 12 o’clock at central station Merseburg (Sachsen-Anhalt)
Departure from Berlin by bus and train | Meetingpoint: 9 o’clock (on time) in front of the “Reisezentrum” inside the train station Alexanderplatz
Notification via email togoactionplus@googlemail.com or mobile 0176-73902314

Démonstration | Vendredi le 29 juillet 2011 | Départ à 12 h à la gare de Merseburg (Saxe-Anhalt) 
Départ à 9 heures (à l’heure) avant le „Reisezentrum“ dans la gare Berlin Alexanderplatz
L’inscription via e-mail togoactionplus@googlemail.com où le portable 0176-73902314

Ensemble en Action – solidarity is our weapon! ITAP e.V.
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E-Mail: togoactionplus@googlemail.com
mobil: 0176-73902314

Migrationsblockaden oder Wie Deutschland sich immer wieder neu schafft

Weder Mühe noch Kosten scheut der Staat, wenn es darum geht, rassistische Maßnahmen durchzusetzen: Nicht nur, dass Flüchtlinge in Deutschland in Apartheid leben müssen; darüber hinaus wird von ihnen eine Gebühr von über 10,00 € für eine Erlaubnis eingefordert, wenn sie den jeweiligen Landkreis verlassen wollen. Seit Dezember 2007 nun klagt Komi E. gegen diese Gebühr. Was sich bisher im Kampf gegen das staatliche Organ „Ausländerbehörde“ getan hat und was die Residenzpflicht für Deutschland bedeutet, beantwortet der Rechtsanwalt Volker Gerloff in einem Interview mit Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP).

ITAP: Lieber Herr Gerloff, guten Tag. Sie vertreten Komi E. in der Klage gegen die 10 € Gebühr, die der jeweiligen Ausländerbehörde für einen Antrag einer Verlassenserlaubnis von Flüchtlingen bezahlt werden muss. Erst mit diesem „Urlaubsschein“ dürfen Flüchtlinge den Ihnen zugewiesenen Landkreis verlassen. Wie ist diese Praxis rechtlich geregelt?

Volker Gerloff: Asylbewerber und Menschen mit einer Duldung dürfen ihren Landkreis bzw. ihr Bundesland nur mit einer Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Einige Ausländerbehörden erheben für die Erteilung dieser Erlaubnis eine Gebühr von 10,00 €. Eine konkrete Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühr gibt es nicht. Daher stützen die Ausländerbehörden ihre Praxis auf eine sog. Generalklausel, die besagt: Für „sonstige Bescheinigungen auf Antrag“ ist eine Gebühr von 10,00 € zu erheben. Hier beantragen die Betroffenen aber keine Bescheinigung, sondern eine Verlassenserlaubnis – die Bescheinigung wird von Amts wegen ausgestellt, so dass es letztlich keine Rechtsgrundlage für diese Gebühr gibt.

ITAP: Wie stark ist diese Praxis in den Ausländerbehörden verbreitet und wie wird eine solche Praxis in den Behörden selbst kommuniziert und legitimiert?

Volker Gerloff: Nach meinen Erfahrungen gibt es die Praxis der Gebührenerhebung nur vereinzelt. Im Freistaat Sachsen bspw. gibt es einen Ministererlass, wonach keine Gebühr für die Verlassenserlaubnis zu erheben ist. Andere Landes-Innenministerien wiederum weisen ihre Ausländerbehörden an, die Gebühr zu erheben. Der Rot-Rote-Senat in Berlin spricht sich ebenfalls für eine Gebührenerhebung aus. Der Effekt dieser Gebührenpraxis ist jedoch, dass die Betroffenen auf die Einholung jener Verlassenserlaubnis verzichten, da sie sich diese nicht leisten können. Somit werden sie straffällig, wenn sie ihren Landkreis bzw. ihr Bundesland ohne Erlaubnis verlassen. Das wiederum bedeutet einen erheblichen Aufwand und Kosten für den Staat um die entsprechenden Strafverfahren zu betreiben.

ITAP: Würden Sie von Willkür sprechen?

Volker Gerloff: Willkür ist ein starkes Wort. Dafür müsste die Motivation für die Gebührenerhebung insbesondere von sachfremden Erwägungen getragen sein. Dazu müsste zunächst klar werden, was die Landes-Innenministerien dazu treibt, derart beharrlich an einer höchst zweifelhaften 10 € Gebühr festzuhalten. Offiziell geht es um fiskalische [finanzielle] Interessen des Staates. Es dürfte jedoch offensichtlich sein, dass der Aufwand für die Erhebung der Gebühr und die Folgekosten durch die Beschäftigung der Justiz weitaus höher sein dürften, als der „Nutzen“ durch die Gebühr. Angesichts der fehlenden Rechtsgrundlage und der untauglichen Begründung ist es aus meiner Sicht durchaus gerechtfertigt, von Willkür zu sprechen.

ITAP: Können Sie sagen, wie oft diese Praxis durchgeführt wird? Und was bedeutet die Auflage einer 10 € Gebühr für Flüchtlinge ganz konkret?

Volker Gerloff: Wenn man weiß, dass der betroffene Personenkreis oft nur ca. 40,00 € Bargeld im Monat bekommt, so handelt es sich um eine sehr hohe Gebühr. Wenn Geduldete oder Asylbewerber_innen den Landkreis oder das Bundesland verlassen möchten, tun sie dies in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln und müssen dafür bereits einen Großteil ihres Bargeldes für den Fahrschein aufbringen. Sie haben also die Wahl, ca. 25 % des Bargeldes für eine Gebühr einzusetzen und dadurch mglw. kein Geld mehr für den Fahrschein zu haben oder sie treten die Reise ohne Erlaubnis und mit der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung an. Die Behörden, die die Gebühr erheben, tun dies für jede Verlassenserlaubnis, wobei es oft nicht bei einer Verlassenserlaubnis im Monat bleibt, wenn man bedenkt, wie klein mancher Landkreis ist. Wer z.B. am Rand eines Landkreises wohnt, braucht schon eine Verlassenserlaubnis, wenn er den Nachbarort besuchen will oder wenn er einen Zug benutzen will, der auch durch „unerlaubtes Gebiet“ führt.

ITAP: Komi E. klagt ja nun seit einigen Jahren gegen die Erhebung der 10,00 € Gebühr. Wie hat es mit der Klage angefangen? Was waren die ersten Schritte?

Volker Gerloff: Zunächst wurde gegen die Erhebung einer Gebühr Widerspruch eingelegt. Da die Gebühr wie selbstverständlich ohne jede Prüfung des Einzelfalls und ohne Begründung und auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung erhoben wird, besteht eine Widerspruchsfrist von einem Jahr. Nach einem ablehnenden Widerspruchsbescheid wurde Klage erhoben. Das war im Dezember 2007.

ITAP: Was hat sich bei der Klage bisher getan, gibt oder gab es erste Erfolge?

Volker Gerloff: Das Verwaltungsgericht Halle hat die Gebühr im Februar 2010 für rechtswidrig erklärt. Dagegen hat die Ausländerbehörde die Zulassung der Berufung beantragt und auch bekommen. Nun wird die Sache vor dem Oberverwaltungsgericht in Magdeburg neu verhandelt werden.

ITAP: Wie verhält sich die Ausländerbehörde auf der Anklagebank?

Volker Gerloff: Die Ausländerbehörde hat zunächst die Sache banalisiert und war sich ihrer Sache wohl recht sicher. Es ist kein Bewusstsein vorhanden, dass 10,00 € für die Betroffenen sehr viel bedeuten. Es scheint auch eine Deformierung des Rechtsbewusstseins entstanden zu sein, da im Ausländer- und Asylrecht das allgemeine deutsche Rechtssystem teilweise ausgehebelt ist und teilweise schlicht nicht beachtet wird. Es herrscht daher ehrliches Unverständnis, warum überhaupt gegen eine 10,00 € Gebühr geklagt wird. Daher hat die Ausländerbehörde die Relevanz dieser Sache anfangs unterschätzt und ist nicht einmal zur mündlichen Verhandlung erschienen. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts erklärte die Ausländerbehörde plötzlich, wie ungeheuer wichtig die zu klärende Rechtsfrage sei und das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Ausländerbehörde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

ITAP: Was ist ihre juristische Meinung zu dieser Verfahrensweise?

Volker Gerloff: Es ist erstaunlich, dass die Ausländerbehörde zunächst alles tut, um zu begründen, warum die Sache auf keinen Fall grundsätzliche Bedeutung haben kann und nunmehr das Gegenteil vertritt. Wenn „ein_e Ausländer_in“ die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil beantragt, dann würde ihm_ihr in dieser Konstellation vorgeworfen werden, er_sie habe in der ersten Instanz nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache hingewiesen. Hier ist nun aber die Ausländerbehörde diejenige, die eine Berufung begehrt und siehe da, ihr widersprüchliches Verhalten ist kein Problem. Freilich ist es aber auch eine Chance, nun die Sache vor einem oberen Gericht verhandeln und klären zu können

ITAP: Was ist politisch möglich, die 10,00 € zu verhindern?

Volker Gerloff: Jedes Landes-Innenministerium kann sofort diese unsinnige Praxis abschaffen. Warum das nicht geschieht und dem Beispiel von Sachsen nicht flächendeckend gefolgt wird, müssen die jeweiligen Minister beantworten. Dass selbst ein „Rot-Roter-Senat“ in Berlin an dieser Praxis festhält ist freilich etwas peinlich, doch leider fügt sich dieses Verhalten des Berliner Senats in sein gesamtes Verständnis von Migrationspolitik.

ITAP: Wenn Komi E. die Klage verliert, welche Wege können wir dann beschreiten? Welche Instanzen müssen wir dann anrufen?

Volker Gerloff: Es wäre denkbar, dass das OVG die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zulässt. Ansonsten bleibt nur die Verfassungsbeschwerde und ggf. eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wobei diese Verfahren in der Regel mehrere Jahre dauern. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wird also für längere Zeit abschließend sein, so dass es sich hoffentlich um eine positive Entscheidung handeln wird.

ITAP: Wenn Komi E. die Klage gewinnt, welche Auswirkungen hat dies dann auf die Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt und vielleicht auch auf die in ganz Deutschland?

Volker Gerloff: Ein positives Urteil durch das OVG hat zunächst nur für Komi Edzro eine direkte Auswirkung. Die Behörden und Verwaltungsgerichte des Landes Sachsen-Anhalt sind jedoch gehalten, die Rechtsprechung ihres OVG zu beachten, so dass die Erhebung der Gebühren für Sachsen-Anhalt Geschichte wäre. Für andere Bundesländer kann ein solches Urteil Signalwirkung haben.

ITAP: Die Mitglieder des Initiative Togo Action Plus e.V. kämpfen ja nicht nur gegen die 10,00 € Gebühr, sondern setzt sich für die Abschaffung der Residenzpflicht generell ein, die wir als postkoloniales Apartheidsgesetz entschieden ablehnen. Wie konnte ein solches Gesetz wie die Residenzpflicht entstehen und sich so lange halten?

Volker Gerloff: Die deutsche Residenzpflicht ist einzigartig in Europa und verursacht einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand für den Staat. Rassistische Repressionen sind es aber offenbar wert, Steuergelder dafür aufzuwenden. Die Residenzpflicht für Asylbewerber besteht seit 1982 und für Geduldete seit Januar 2005. Die offizielle Begründung bei Asylbewerbern ist die Sicherung des Asylverfahrens und die Abschreckung potentieller Asylbewerber. Bei Geduldeten wird gesagt, sie sollen nicht besser gestellt sein als Asylbewerber. Es ist schon ein wenig pervers, zu sagen, ein Asylverfahren könne nur gesichert werden, wenn die Asylbewerber ihren Landkreis nicht verlassen dürfen. Im Sozialrecht gibt es ähnliche Bedürfnisse der Verfahrenssicherung. Hier wird sich aber mit einer Abmeldepflicht beholfen. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, es „Hartz IV“-Empfängern zu verbieten, ihren Landkreis zu verlassen, für eine Verlassenserlaubnis 10,00 € zu verlangen und Verstöße strafrechtlich zu verfolgen.

ITAP: Ist die Residenzpflicht Ihrer Meinung nach ein rassistisches Gesetz?

Volker Gerloff: Ich wüsste nicht, welche Bezeichnung besser geeignet sein sollte. Die schwächste Gruppe der Gesellschaft wird hier mit einer völlig sinnlosen aber aufwendigen Repression bedacht. Wenn das kein Rassismus ist, was dann? Das Europarecht schreibt vor, dass eine Residenzpflicht für Asylbewerber nur im begründeten Einzelfall verhängt werden darf und Verstöße dagegen dürfen mit verwaltungsrechtlichen Sanktionen bedacht werden. Dennoch bleibt Deutschland bei seiner Praxis, die Residenzpflicht für alle Asylbewerber und Geduldete per Gesetz – ohne Einzelfallprüfung – festzuschreiben und Verstöße dagegen strafrechtlich zu verfolgen. Leider ist bisher noch kein Fall dem EuGH (Europäischer Gerichtshof) vorgelegt worden.

ITAP: Warum setzen Sie sich als Rechtsanwalt für den Kampf gegen Rassismus ein?

Volker Gerloff: Als Rechtsanwalt habe ich die Interessen meiner Mandanten zu vertreten. Das Interesse meiner Mandanten ist es, frei von rassistischen Repressionen leben zu können. Als Bürger dieses Staates ist es mir peinlich, dass nach wie vor mit großem Engagement an den Sondergesetzen für „Ausländer_innen“ festgehalten wird und bis heute eine aggressive Abwehrhaltung gegen alles Fremde in deutschen Parlamenten mehrheitsfähig ist.

ITAP: Wie schätzen Sie hier die politischen Möglichkeiten ein, um das Ziel, die Abschaffung der Residenzpflicht in ganz Deutschland, zu verwirklichen? Sind Sie hoffnungsvoll?

Volker Gerloff: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Bevor die Apartheid in Südafrika zusammenbrach, standen ihre Kritiker auch lange Zeit auf vermeintlich verlorenem Posten und so ließen sich weitere Beispiele anführen. Zeiten ändern sich und es gilt, gegen Missstände anzukämpfen, bis sie beseitigt sind. Derzeit gibt es aber keinen ernsthaften politischen Willen zur Abschaffung der Residenzpflicht. Die politischen Verfechter der Residenzpflicht folgen dem Irrglauben, dass das Wahlvolk eine Abschaffung dieser Institution nicht honorieren würde. Die Masse der Bevölkerung hat jedoch keine Ahnung, dass es etwas derartiges in Deutschland überhaupt gibt, so dass die Abschaffung weitgehend unbemerkt in der deutschen Bevölkerung bleiben dürfte. Allerdings müssten sich die Polizist_innen neue Aufgaben suchen, die derzeit auf Bahnhöfen und anderswo „Jagd“ auf „ausländisch“ aussehende Menschen machen, um „Residenzpflichtsverletzer“ zu ertappen. Auch in der Verwaltung und der Justiz würden Kapazitäten frei werden. Die Vorteile der Abschaffung der Residenzpflicht lägen in Zeiten knapper öffentlicher Kassen objektiv im Interesse des Staates. Daraus wird aber auch erkennbar, welche ideologische Verbissenheit hier auf der Gegenseite aufgebrochen werden muss.

ITAP: Vielen Dank für das Gespräch!

Rassistische Polizeikontrolle bei Mitgliedern der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Magdeburg / Berlin:
Noch keine 5 Minuten hatten die drei Mitglieder
der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh die Infoveranstaltung zusammen
mit Magdeburger Sympathisant_innen am 08.10.2010 verlassen, als sie von
der Polizei mit drei Streifenwagen verfolgt und kontrolliert wurden.
Getarnt als eine angeblich normale Verkehrskontrolle des Wagens, mit dem
die drei Mitglieder zum Magdeburger Bahnhof gebracht werden sollten,
wurden der Fahrer und die beiden schwarzen Mitglieder der Initiative
umgehend aufgefordert, sich auszuweisen. Dass es sich hierbei um eine
rassistisch motivierte und der Einschüchterung der schwarzen Aktivisten
dienenden Kontrolle handelte, wurde schnell deutlich:
Polizeihauptkommissar Jens Wöhlbier und sein Kollege hielten den Strahl
ihrer Taschenlampe gezielt auf die beiden schwarzen Aktivisten,
begutachteten sie und forderten sie in grober Weise auf, sich
auszuweisen. Die weiße Mitfahrerin und ebenso Mitglied der Initiative
wurde weder begutachtet, noch aufgefordert, sich auszuweisen. Dass die
Polizei den Mitgliedern der Initiative gezielt nach der
Infoveranstaltung aufgelauert ist, offenbarten die beiden Beamten auch
dadurch, dass ihnen entfuhr: „Die beiden Kollegen [die im Prozess um den
Tod von Oury Jalloh angeklagten Polizisten März und Schubert] werden
sowieso nie verurteilt“. Als die beiden Aktivisten der Initiative die
Polizisten daraufhin nach ihrer Dienstnummer fragten, um sich über
dieses rassistische Verhalten beschweren zu können, wollten diese die
beiden obendrein noch für dumm verkaufen, indem sie weismachen wollten,
dass Beamte in Deutschland angeblich keine Dienstnummer haben.

Diese Aktion zeigt uns, wie tief das rassistische Denken der Polizisten
jenes Bundeslandes, das für den Tod Oury Jallohs verantwortlich ist,
geht und wie Afrikaner und nicht-deutsch aussehende Aktivisten
systematisch schikaniert und durch ständige Kontrollen zermürbt werden
sollen. Doch wir lassen uns davon nicht einschüchtern. Der Kampf geht
weiter:

Wir fordern:
Stopp rassistischer Polizei-Kontrollen in der BRD!
Abschaffung der Residenzpflicht!
Stopp rassistischer Polizei Gewalt!
Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung im Fall Oury Jalloh!

Kontakt für Rückfragen: +49-(0)176-38113135 / +49-(0)174-7477656