Am 30.07. demonstrierten ca. 170 Menschen in Lutherstadt Wittenberg für die Schließung des Flüchtlingslagers Möhlau. Es waren zahlreiche Flüchtlinge aus Möhlau, auch viele Kinder, und antirassistische Unterstützer/innen aus der Region und aus Berlin. organisiert wurde die Demo von der Flüchtlingsinitiative Möhlau, von Togo Action Plus und Nolager- Halle, unterstützt von den Rebel-Clowns.
Azad M. aus dem Flüchtlingslager Möhlau in Sachsen- Anhalt ist am 14. Juli an Blutvergiftung infolge seiner Brandwunden gestorben. Wo er diese erlitt und wer sie ihm zufügte, ist bis jetzt nicht geklärt.
Durch den Fall von Azad M. H. kamen die Wohn- und Lebensumstände der von Krieg und politischer Verfolgung Geflüchteten in die Öffentlichkeit. Seit seinem Tod startete die Heimleitung plötzlich Putzaktionen in dem Lager.
Das Flüchtlingslager Möhlau liegt mitten im Wald. Die ehemalige Kaserne stammt vermutlich aus den 30er Jahren und ist inzwischen baufällig Die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit für die Bewohner des Lagers liegt in Dessau, 20 km entfernt, eine Strecke, die sie meist zu Fuß zurücklegen, da der Bus nur zwei Mal am Tag fährt. Hier leben 200 Menschen auf engstem Raum.
Die Flüchtlinge leben zwischen löchrigen Wänden und verrotteten alten Möbeln und den dazugehörigen Kakerlaken und Ratten. Viele sind inzwischen krank, haben Depressionen.
Die Familie Sefaij, der jetzt die Abschiebung droht, lebt mit 11 Personen in einer 2-Zimmer-Wohnung. Als der Familienvater von der Polizei von der Abschiebung unterrichtet wurde, wollte er aus dem 6. Stock der Kaserne springen; die Familie ist seit 9 Jahren in Deutschland und hat keine Kontakte mehr in den Kosovo. Die Erlaubnis, den Landkreis zu verlassen, wird so gut wie nie erteilt. Gegen einen Bewohner des Lagers wurde vor kurzem für zweimaliges Verlassen des Landkreises mit einer Geldstrafe von 900 Euro verhängt.
Deshalb haben wir am 30.07. in Lutherstadt Wittenberg vor der Ausländerbehörde mit den Flüchtlingen und ihren Kindern demonstriert. Im Verhältnis zu den absolut friedlichen und um Azad M. trauernden DemonstrantInnen, schien die starke Polizeipräsenz sehr aufwendig.
Komi, Vizepräsident und Sprecher der Flüchtlingsinitiative Togoactionplus, die die BewohnerInnen von Möhlau in ihrer Forderung nach der Schließung des Lagers unterstützt und gegen die Residenzpflicht kämpft, war dennoch zufrieden:
„Es war eine lebendige Demo. Die Kinder sind direkt in die Ausländerbehörde hineingelaufen und konnten ihre Wut am Mikrofon auslassen. Sie schrieen: „Lager Möhlau muss weg. Abschiebungsstopp, Freiheit! Freiheit
Rebel-Clowns begleiteten den Aufmarsch – genauer gesagt: Robo-Cops in ihren sagenhaft glitzernden futuristischen Schutzanzügen und mit Pappkanone oder gar –Taser bewaffnet, teils mit der Aufschrift “Anti-Konflikt-Team”, beaufsichtigten sie würdevoll den Ablauf der Demo und zeigten mit wendigen Pantomimen und Paradeschritten, dass die Sicherheit gewahrt bleibt. So zeigten sie den WittenbergerInnen, dass nichts in Gefahr war als der Ernst der Lage – eine sehr ungewohnte Parade in der braven sachsen-anhaltinischen Kulisse.
No-Lager Halle berichtet:
“Die Demonstration startete am Bahnhof und ging von dort zum Landratsamt, dem ersten Kundgebungsort. Ein Großteil der DemonstrantInnen stürmen in den Eingangsbereich des Landratsamts. Es wurde dort skandiert “Lager Möhlau muss weg!” und “Wir wollen Freiheit!”. In dem Landratsamt waren wenige Polizisten, die Angestellten des Landratsamts waren hilflos bis verängstigt. Hektisch hinzu stürzende Polizisten des Landes Sachsen-Anhalt versuchten die Lage zu eskalieren. Dies konnte durch die Besonnenheit der DemonstrantInnen verhindert werden. Das Landratsamt wurde langsam verlassen und die Demonstration ging über den Marktplatz zurück zum Bahnhof. Während der Demonstration hielten Salomon Wantchouchou, Sprecher der Flüchtlingsinitiative Möhlau, AktivistInnen der “Initiative in Gedenken an Oury Jalloh” und “no lager halle” Reden zur Lebenssituation in Möhlau. Diese bezeichneten sie als lebensunwürdig, es wurde die umgehende Schließung des Lagers in Möhlau verlangt. Nur eine dezentrale Unterbringung in Wittenberg kann Abhilfe schaffen.
Am Rande der Demonstration kam es zu einer Diskussion mit dem Leiter des Ordnungsamtes, Uwe Lesch. Herr Lesch freute sich, dass es immer weniger Abschiebehindernisse gebe und nach dem Abkommen mit dem Kosovo dorthin abgeschoben werden kann. Außerdem behauptete er, dass der Landkreis nicht für die Abschiebungen verantwortlich sei. Alle Entscheidungen würden vom Bundesamt für Migration getroffen. Dies entspricht nicht der Realität. Wie die Umsetzung geltenden Rechts bezüglich Abschiebung, Arbeitserlaubnis, Unterbringung, Urlaubsschein und Gutscheine oder Bargeld erfolgt, entscheidet jeder Landkreis selbst”.
Die Atmosphäre war solidarisch und positiv, und dank der Teilnahme der zahlreichen Kinder und Jugendlichen aus Möhlau ausgesprochen lebendig
Von der Kreisverwaltung zogen wir dann zum Marktplatz, und berichteten dortvon dem wachsenden Rassismus in Sachsen-Anhalt und von dem Mordanschlag eines rechtsextremen Täters auf die Ägypterin Marwa el-Sherbini im Gerichtssaal in Dresden. Wir forderten die Schließung des Lagers Möhlau, und entschiedene Bestärkung zivilgesellschaftlicher Bewegungen
gegen rechte Gewalt. Wir werden weiter machen mit unseren Protesten und fordern: Weg mit Lager Möhlau
03.08.09 – T.A.P.